Nein, die Eisheiligen sind keine beweglichen Tage wie Ostern oder Pfingsten, sondern sie finden jedes Jahr vom 11. bis 15. Mai statt. Laut der Legende soll an diesen Tagen Frost in ganz Mitteleuropa auftreten – und ab dem 16.Mai die frostfreie Zeit beginnen. Dass dabei kein Unterschied gemacht wird zwischen Alpensüd- und Alpennordseite und dasselbe Datum sowohl für raue Höhenlagen, als auch für milde Talregionen gilt, sollte alle Gärtnerinnen und Gärtner eigentlich stutzig machen. Trotzdem hält sich in Gartenkreisen hartnäckig die Empfehlung, dass man erst „nach den Eisheiligen“ Tomaten auf den Balkon stellen und Buschbohnen im Garten säen solle.

Dabei hält sich der Bodenfrost nicht an die Eisheiligen. In der Schweiz kann jedenfalls keine Häufung von Frost um die Eisheiligen herum nachgewiesen werden. Im Gegenteil: An zahlreichen Orten der Schweiz ist die Gefahr, dass irgendwann im Mai Bodenfrost auftritt an allen Tagen etwa gleich hoch. Wer zehn Tage nach der Kalten Sophie (15.Mai) Buschbohnen sät, hat also nahezu dasselbe Risiko, dass die Sämlinge erfrieren, wie jemand der zehn Tage vor der Kalten Sophie Buschbohnen gesät hat. Das ist übrigens schon lange bekannt. Bereits 1906 schrieb Julius Hann in seinem Lehrbuch der Meteorologie, dass eine Anzahl von Untersuchungen belegen, dass die Eisheiligen keine grössere Frostgefahr bringen als alle anderen Maitage. Langjährige Messreihen von MeteoSchweiz bestätigen das zur Genüge.

Hundert Jahre sind eine lange Zeit – warum hat sich diese Erkenntnis bislang nicht durchgesetzt? Vielleicht, weil Alternativen fehlten? Weil niemand wirklich „weiss“, wann der letzte Frost auftritt? (Ausser allenfalls den Muotathaler Wetterschmöckern… aber die fragt man meistens nicht danach 😉 )

Im Buch Spriessbürger gehen wir einen anderen Weg: Wir nehmen die Natur als Massstab und orientieren uns am Phänologischen Kalender. Buschbohnen sollten erst gesät werden, wenn der Flieder in Vollblüte steht. Und wer mit den Freilandtomaten auf der sicheren Seite sein will, wartet bis in seiner Nähe die ersten Holunderblüten aufgehen. Dann ist die Gefahr, dass es nochmals Bodenfrost gibt, nämlich äusserst gering. Und das erst noch abhängig vom Jahr, der Lage auf der Alpennord- oder Südseite, der Höhe über Meer und zahlreichen anderen Witterungseinflüssen.

Den so entstandenen Phäno-Gartenplaner kann man übrigens hier downloaden.

Skeptisch? Ungläubig? Natürlich ist es schwer, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen. Doch die Auswertung von MeteoSchweiz beruht nicht auf Mythen, sondern auf jahrzehntelangen Messungen von tatsächlich vorhandenen Temperaturen. Man findet sie hier.